Dienstag, 7. April 2009

Ein Assoziationsmassaker und die Todesnacht von Spandau

Der Weg, den man vollführt, wenn man sich bewegt, seinen Fluss dem Fluss der Momenten anpassend, die Zufälle, die Eckpunkte, die den groben Ablauf definieren, passieren lässt, sich fügt und treibt ohne zu schwimmen, dann muss man sich nicht wundern, morgens um halb sieben in der S-Bahn kurz vor Spandau aufzuwachen. Spandau, große Unbekannte, Anhängsel an eine Realität, die einen zerstört hat so eben, aufs neue, aufs vertraute, mystisches bisschen Raum und Zeit am Rand der Zivilisation, ein bisschen Ruhe und Stetigkeit? Die Morgenluft beißt kalt und frei auf meinen Zähnen. Ist dies die große Freiheit, der Sturm, der einen rein bläst, die Posaunen des zigsten Tages nach irgendeiner Zerstörung, die man vergessen hat? Woher kommen sie nur, solche Phrasen im Kopf? Und wäre da auch nicht der Schmerz im Hirn, ein Massaker an Zellen und Gedanken, Erinnerungen: War ich zuvor schon aufgewacht? Deja vu? Hallo, Spencer? Ostkreuz – Spandau – Ostkreuz? Gestern, heute, heute nacht? Passagier im Traumzug, bezahlt für seinen Alptraum, im Abo, 600 Euro im Jahr, eine dauerhafte Fahrt, wer fährt bewegt sich, Zeit ist Bewegung. Weiter zurück die Stunden, dann das Mädchen: „Auf was bist du denn?“ Frage zurück, „bist du bescheuert“. Nein weniger gesagt, mehr gedacht, zu müde schon, auf Schlafmangel und Alkohol, gepanscht mit Enttäuschung vielleicht, alleine in der Nacht, verloren, ziellos, irgendwo im gestern hängen geblieben. Warum nur jetzt und hier, sei still Hirn, Zerfall und Amen, es liegt Blut auf dem Bahnsteig. Frisch wohl, es ist nicht geronnen. Wie lange sich wohl Blut in der morgentlichen Kälte hält? Blut ist Leben, Blood Inside, Blinded by Blood. Assoziationsmassaker und sinnlose Gedanken, es ist die Todesnacht von Spandau. „Franzeken, Franzeken!“ ruft Andreas Baader, Franz Biberkopf zieht eine Maschinepistole, drückt ab, die RAF zerfließt auf dem Alexanderplatz, was für Bücher lese ich nur? Es ist egal, nicht wichtig und regelrecht nichtig, meine Gedanken auf den Müll, den Sondermüll bitte. Hinterfrage niemals die Realiät und den Lauf der Zeit, frage nicht, sei still und beobachte. Wo war einst die Liebe, die mich zerfrass? Muss doch gleich um die Ecke springen, morgen, vorgestern, nächste Woche, bald und plötzlich, muss mir doch gleich ein Messer in die Brust stoßen, das Blut liegt schon da, Zukunftsblut, Raum und Zeit trotzend. Spandauer Blut? Zeit und Raum sind irrelevant, Existenz definiert, wer über sie nachdenkt. Niemand macht das mehr, ein Mensch lässt sich treiben und und schleicht entlang des Pfades, Nekronihilsten und Existenzfetischisten, chronisch unterfickt wahrscheinlich, auf Dauer kaum überlebensfähig. Zeit war gestern, heute ist sie verschwendet und verbraucht, vergeudet für nichts, wen interessiert der Film, wenn niemand zusieht? Niemand sieht zu am Bahnsteig in Stresow, kurz vor Spandau, die Kälte sieht zu, der junge Mann in der Bahn will Drogen verkaufen, doch sieht er zu, denkt er nach früh, morgens, spät nachts? Wenn interessieren diese Gedanken dann, wenn sie nicht kommuniziert werden? Mich nicht, ich springe zurück in Raum und Zeit, das bisschen Sehnsucht, das bisschen gestern.

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