Samstag, 29. November 2008

Bullenstaat

Wenn auf einmal das Cassiopeia geräumt wird und der ganze Weg aus dem RAW von Polizisten in Ritterrüstung eingesäumt wird, dann fragt man sich schon, ob man irgendwas verpasst hat oder das letzte Bier illegale Beimischungen hatte. Um was könnte es sich handeln? Einen geheimen Castortransport bei Nacht, eine Großdemonstration in der Finsternis, eine Landung von Außerirdischen? Alles sehr gewagt, es müssen bessere Thesen her.
War es eine Gasleitung, wie der eine oder andere gehört haben wollte, war es irgendein Verrückter aus Neukölln? Wobei die Frage, welcher Verrückte aus Neukölln, noch weitere Fragen aufwarf. Da war doch die einfache und nicht leicht zu hinterfragende These, dass wir halt in einem Polizeistaat leben, logisch konsequenter und politisch befriedigender. Das muss es sein, warum Gründe für eine solche Aktion. Einfach mal Stärke zeigen und Häuser in Friedrichshain räumen. Hat sie ja schon Übung drin im Häuserräumen, die Berliner Polizei.
Am Tag danach ist man natürlich schlauer und hat sich gebildet. Der Briefkastenbomber von Rudow soll's gewesen sein, beziehungsweise sein Auto, beziehungsweise die Bombe darin. Danke lieber Bullenstaat, dass du uns vor Wahnsinnigen und Terroristen beschützt!

Freitag, 28. November 2008

November

Es ist als hätte jemand den Himmel angemalt, in einheitlichem Grau der Kälte. Und dieses Grau fällt auf uns hinab, es bedeckt die kahlen Bäume und Gebäude genauso wie die Gesichter der Menschen. Mir ist das heute alles egal. Die Sonne könnte am Morgen scheinen und mir wäre es egal. Ich bin einer der Graugesichtigen, austauschbar, konform in der Masse erfroren. Ein Eiskristall in Schneemassen, so kalt wie der Rest. Die Zeit läuft, die Zeit ist Bewegung, die Bahn bewegt sich und ich stagniere in ihr. Nur Ulvers „porn piece or the scars of cold kisses“ schiebt mich aus der Realität in einen Zustand der Ruhe. Ach, Trickster G., wie hast du nur alles so treffend zusammengefasst. Pornographisch wird mir das menschliche Elend vor Augen geführt, die Narben kalter Küsse erinnern an noch kältere Tage. Sie werden stets erinnern. Doch lieber im November, als irgendwann sonst. Kälte zu Kälte, Hass zu Hass.

Sonntag, 23. November 2008

Wenn man

beim Zechen schon die Katerkopfschmerzen spürt ist das kein gutes Zeichen und man sollte aufhören. Und wenn man dann das, was man in dem Moment tut, sofort schon ein bisschen bereut ist doch eigentlich schon klar, wie sehr man es am nächsten Tag bereut. Wenn man dann auch noch den einzigen Moment dadurch verliert, auf den man sich wirklich ehrlich gefreut hat, dann hat man mal wieder ordentlich verkackt.

Freitag, 21. November 2008

Bald im Tatort

Zwei Kommissare, der Gerichtsmediziner, eine nackte Leiche

Gerichtsmediziner (G): Kaffee?
Kommissar 1 (K1): Mit Zucker.
Kommissar 2 (K2): Ohne Zucker. Mit Milch.
K1: Ja, genau Milch.
G: Milch ist alle.
Pause, der Gerichtsmediziner holt den Kaffee. Dann stehen alle drei über die Leiche gebeugt, die Kaffeetasse verdeckt den Penis der Leiche. Penisse werden selten gezeugt im Fernsehen. Sie sind nämlich obszön und wer will das schon sehen. Weibliche Leichen werden hingegen häufiger ganz gezeigt. Die Brüste sind sogar Pflicht, sonst hätte Oswald Kolle umsonst gekämpft. Sowieso sind weibliche Leichen immer hübsch, selbst dann wenn es Wasserleichen sind. Männliche Leichen können auch glatzköpfig, bärtig, alt und dick sein, weibliche sind es nicht. Vielleicht liegt es am Überangebot von Schauspielerinnen im Vergleich zu Schauspielern, da spielt man schon eher die nackte Leiche im Tatort. „Was war die größte Rolle deines Leben“ - „Ich war die nackte Leiche im Münchener Tatort. In einer Rückblende sieht man mich kurz sogar lebendig und angezogen.“ Doch das ist eine andere Geschichte, zurück zu dieser. Die Leiche ist tot und glatzköpfig, bärtig, alt und dick. Der Penis bleibt dem Zuschauer erspart.
K2: Was haben wir?
G: Opfer ist männlich, 48 Jahre, wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden, erdrosselt um genau zu sein.
K2: Aha.
K1: Gibt es Hinweise auf ein Sexualverbrechen?
Männer werden grundsätzlich bei Sexualverbrechen erdrosselt. Zumindest fast immer.
G: Nun ja, es gibt da ein gewisses Rätsel...
K1: Schießen Sie los, es ist schließlich unser Job, Rätsel zu lösen. (lacht närrisch)
G: Nun wir haben Schamhaare in seinem Mund gefunden.
K1: Ha! Dann hatte er kurz vor seinem Tod Cunnlingus!
K2: Häh?
K1: Geleckt!
G: Meine Herren, nicht so profan. Ich muss doch sehr bitten. Streng genommen könnte es auch Fellatio gewesen sein.
K2: Häh?
K1: Geblasen! (lacht noch närrischer)
G: Also bitte...
K2: Ach so. Ne Schwuchtel.
G: Nun ja, ein Homosexueller könnte er schon gewesenen sein.
K1: Haben Sie eine DNA Analyse anfertigen lassen?
Was die Folter für 24 ist, ist die DNA Analyse für den Tatort. Sie hilft die wesentlichen Anhaltspunkte zu finden, um die Welt (USA) zu retten bzw. den Fall zu lösen.
G: Aber natürlich. Und jetzt kommt das paradoxe: Es sind seine eigenen Haare.
Kurzes Schweigen.
K1: Scheiße... Der hat sich selber einen geblasen.
K2: Oder seinem Zwillingsbruder.
G: Also bitte! Er hatte keinen Zwillingsbruder, zumindest in den Akten ist nichts vermerkt.
K2: Man kann sich aber keinen selber blasen, es sei denn man ist vom Zirkus.
K1: Oder man hat ein enormes Glied.
Sie schauen in Richtung Penis, der natürlich immer noch verdeckt ist.
K2: Hmm.
K1: Schwer zu sagen. Wie groß ist der wohl ergiert?
G: Als Mann der Wissenschaft protestiere ich!!! Wie kommen Sie denn auf diese Idee. Das Schamhaar könnte auch auf natürlich Weise in seinen Mund gelangt sein.
K1: Auf natürliche Weise? Durch starken Wind? Durch Eigenschamhaartherapie?
G: Meine Herren, das hilft uns nicht weiter. Ich weiß auch nicht direkt, was das mit der Erdrosselung zu tun haben soll!
Hier kommt natürlich die Werbepause (die es bei den Öffentlichrechtlichen nicht gibt), denn der Zuschauer muss kurz vor der unerwarteten Wende in der Handlung nichtsahnend und verwirrt auf die Folter gespannt werden.

Lesen Sie bald mehr, sehen Sie und staunen. Sind deutsche Kommissare wirklich so doof? Gibt es Menschen die an sich selbst Fellatio leisten und sich dabei unabsichtlich erdrosseln? Ist unsere Gesellschaft noch zu retten? Gibt es auch angezogene weibliche Leichen? Wird Schimanski zurückkehren?

Montag, 17. November 2008

Laterne, Laterne!!

Eigentlich ist man ja gefühlte 20 Jahre zu alt um an einem Laternenumzug teilzunehmen und eigentlich ist der ja auch am 11.11. und nicht erst ein paar Tage danach. Seis drum, wir waren dabei. Unter den Pionieren. Unter den Trendsettern. Ganz weit vorne mit dabei. Wir haben lauthals auf der Straße, im Spätkauf, vor Dönerläden, in der Kneipe – ja einfach überall – unsere Lieder zum Besten gegeben. Wobei der Plural gerade so noch gerechtfertigt ist... Mehr als zwei Laternenlieder scheint keiner zu kennen. Dass nur „Ich geh mit meiner Laterne“ und „Laterne, Laterne“ existieren ist zwar schwer zu glauben, aber diese beiden existieren auf jeden Fall und jeder kennt sie: Selbst die härtesten Gangster auf der Straße fangen kurz an zu lachen und singen eine Strophe mit. Laternen für den sozialen Frieden? Furchtbar. Egal, wir waren dabei und fassen es noch immer nicht. Höchste Zeit mehr Strophen zu schreiben:

Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne
Laterne, Laterne,
Sie leuchtet in die Ferne
Laterne, Laterne,
die habe ich sehr gerne,
Laterne, Laterne,
sie gibt uns allen Wärme
Laterne, Laterne,
dass jeder etwas lerne,
Laterne, Laterne,
muss Bier in die Gedärme

jetzt ist aber genug... auf Laterne reimt sich nur Scheiße.

Dienstag, 11. November 2008

Moderne Lyrik Teil 1: Gerenne

Da renn ich durch die Finsternis
und denke kommt ein Hindernis
stürz ich vielleicht in Hundekot
und bin im schlimmsten Falle tot
weil ich erfrier im kalten Laub
oder erstick im Straßenstaub

Der Denker sagt dann Sport ist Mord
lass diesen Scheiß, lass ihn sofort!
Doch will ich nicht, wärs auch so nett
denn sonst werd ich wohl richtig fett,
und vielleicht freut sich jederman,
dass ich beim Rennen dichten kann!

Sonntag, 9. November 2008

Licht und Schatten Teil 2: Schatten

Anderthalb Stunden später. Der Hauch des Verbotenen, der Hauch des Geheimen. Wir stellen uns an und schweigen, es ist verdächtig leise, nur selten wird gelacht und dann schnell wieder in halbes Geflüster zurückgewichen. Acht Euro. Wir sind angefixt, wir müssen rein. Auch wenn wir kaum Musik von drinnen hören, keinen Plan haben, was hier so geboten wird. Wir zahlen, wir spüren Teil von etwas besonderen zu sein – und werden nach Strich und Faden verarscht. Man hat das Watergate samt Schlange und horrender Preise ins das Ballhaus Ost transferiert, das ist die einzige Erklärung. Eine schlechte Kopie des Watergate. Die Musik ist schlechter, ja, die Musik ist furchtbar schlecht. Verhouster Lächle-Blöd-Elektro, strukturarm, frequenzarm, absolut leer. Musik zum Rumwippen für Designervolk, Musik für die verkokste Kinder-reicher-Eltern-Schickeria. Musik für sogenannte schöne Leute, und ja: genau diese Leute sind da. Sie nuckeln an den Strohhalmen ihrer Getränke, ich tue es ihnen nach, vielleicht hilft es, vielleicht bringt es ja auch hier was, wenn ich mein Gehirnvolumen auf das dreifache vergrößere. Es hilft kaum. Doch wir haben bezahlt, wir bleiben hier. Wir studieren das Sozialverhalten der Masse. Entsetzt und fasziniert. Jeder Versuch, uns anzunähern, scheitert an unserem eigenen Ekel. Nein, wir können hier nicht tanzen. Nein, wir können hier nicht länger bleiben, es saugt unsere Lebensenergie ab. Wir fliehen bar jeglicher Erkenntnis, aber zumindest mit der Einsicht, dass wir hier nicht hingehören und uns wohl hätten niemals dorthin locken lassen sollen. Ach wenn doch Wölfi nur Europakanzler wäre...

Licht und Schatten Teil 1: Licht

„Die Kassierer, was ist das eigentlich? Ja mein Freund, das fragst du dich.“ Die Antwort ist vielschichtig und komplex. Und dennoch schafft Mitch Maestro sie ganz einfach zu geben. Es ist ein der Höhepunkte des Abends, einer jener Momente, an denen man weiß, Teil eines großen Momentes in der jüngeren Geschichte der Menschheit zu sein. Die Kassierer spielen vor einem ausverkauften SO36, sie spielen, wie sich später herausstellen wird, in den Geburtstag von Frontmann Wölfi.
Schon der Anfang ist vielversprechend, nach zwei pathosüberladenen Intros betreten die Giganten die Bühne und Nikolaj Sonnenscheiße weiß, nach was es dem Publikum lechzt: es braucht nur ein Wort um den Schlachtruf zu intonieren. „Saufen, Saufen, jeden Tag nur Saufen!“. Der Chor von tausenden getrunken Bieren weiß wie man mitsingt, Wölfi ist sichtlich gerührt und entledigt sich schon nach dem ersten Lied seines T-Shirts. Die Kassierer haben das Körperliche hinter sich gelassen und das Geistige in den Vordergrund gerückt. Ich atme glücklich aus und entspanne mich: Bei den Kassierern wird der Bauch nicht eingezogen. Bei den Kassierern fliegen Hosen durch die Luft, werden Unterhosen auf der Bühne getauscht, werden Hodensäcke besungen und präsentiert. Die Kassierer sind das Proletariat unter den Intellektuellen. Die Kassierer sind so Punk wie Punk nur sein kann, wie Punk in Berlin sonst nicht existieren kann, nein er muss aus Wattenscheid importiert werden. Aus Wattenscheid, der Keimzelle des Drecks, den wir alle lieben, den nicht einmal Thomas Wenner von der Straße kratzen konnte. „Arbeit ist scheiße, Arbeit ist scheiße!“ singen wir alle mit. Wir wissen wovon wir reden und die Kassierer verstehen uns. Und Volker Kampfgarten liefert uns ein Schlagzeugsolo, ein Hauch 80er Jahre Heavy Metal hängt in der Luft. Die Kassierer sind Glamour von der anderen Seite, die Kassierer sind mächtig. Wölfi will Europakanzler werden, Wölfi muss Europakanzler werden.