Mittwoch, 24. Juni 2009

Jetzt im Gestern das Du und ich

Stunde um Sekunde sind wir und denken und wissen doch nicht was, weil eigentlich, und so denkt der eine oder andere, ist es nichtig und verloren und sinnlos schon in dem Moment, in dem es passiert. Momente verfleuchen, sind nicht fassbar, sind morgen schon vergangen, oder auch nur in sieben, fünf, drei, oder einer Minute. Wer kann sich schon anmaßen, dass er das jetzt versteht, kapiert was jetzt eigentlich wirklich bedeutet und warum es das Jetzt ist, bevor es schon später wird, nacher, morgen, irgendwann. Ist es das Jetzt oder das erinnerte Jetzt, wenn wir dann morgen sagen, wir haben das jetzt gelebt, nur hier für den Moment und alles andere war egal, wollen wir dies doch nur sagen, wollen hinweisen, teilen, das Jetzt, das jetzt doch schon vergangen ist, mit anderen, wo wir doch nicht einmal wissen, was andere sind. Andere, so sagt man, sind nicht nicht das Ich, es ist das was andere denken, was sie fühlen, was man nie mit Gewissheit weiß. Wer ist also das andere, das Du, der Gegensatz zum Ich, der äußere Blick auf das Ich? Wer sagt jetzt das Ich, das Du, und weiß im tiefsten Inneren, was er meint? Wir verstehen so wesentliche Dinge nicht, das sollte uns klar sein, ob im Jetzt im Morgen oder im Gestern.

Montag, 22. Juni 2009

Wenn der jüngste Tag naht...

dann gibt es in Neukölln ein Paar, das optimal vorbereitet ist, allzeit bereit dazu, das eigene Leben zu verteidigen, die Wohnung zur Festung zu machen und all das was kommen mag, mögen es Zombies oder Raketenwürmer sein, zurückzuschlagen. Noch warten sie. An einem sonnigen Samstagnachmittag an dem die gesamte linksautonome Szene vereint mit den diversen Antischwabencorps und ein paar Krawalltouristen versucht, den Flughafen Tempelhof zu besetzen. Argwöhnisch betrachten sie das Schauspiel der jungen Leute und warten. Warten sie darauf, dass die Polizei dann doch irgendwann auf die dritte Verwarnung und die Ansage, dass dies keine Übung und kein Scherz sei, die Wasserwerfer anschmeißt? Auf dass sie sich am Chaos und kriegsgleichen Elend einer Massenflucht ergötzen können? Das wäre gemutmaßt. Auch gemutmaßt wäre, sofort darauf zu schließen, dass Menschen, die in tarngeflekten Kevlarwesten vor ihrem Wohnhaus stehen, nicht ganz bei Trost sind oder vielmehr echte psychische Probleme haben. Der Frau steht die Weste übrigens besser, vielleicht weil sie eine schwarze Kampfhose trägt und nicht wie er erschreckend unmodische Jeans, wohl aber eher weil er leicht gebückt steht und die Panzerplatten so weit von seinem Rücken abstehen, dass man an den Glöckner von Notre Dame denken mag. Doch dies mag trügen. An dieser Randsituation der inneren Sicherheit, wenn der Polizeistaat auf die Anarchofaschichten stößt und sowieso alles den Bach runtergeht und die Situation eskaliert und Autos brennen und Bomben fallen, springen die beiden bestimmWenn der jüngste Tag naht...
t urplötzlich mit schweren Granatwerfern und Maschinengewehren auf die Straßen und dann wünscht man sie sich nicht als Feind, egal auf welcher Seite man steht. Sowieso hätten die beiden bestimmt den Flughafen im Alleingang besetzen können, wenn sie denn gewollt hätten. Schließlich haben sie Flughafen schon seit Jahren beobachtet und Flugzeugnummern notiert, während sie die Läufe ihrer Gewehre poliert haben. Was können schon armselige Wasserwerfer gegen Kevlarwesten ausrichten? Doch dazu ist die Zeit wohl noch nicht reif.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Heimat, die Erste

weites Land, obgleich der Menschen dort,
die ewig böse immer fort,
sich weiden an dem gleichen Ort,
der vielen, die von dort geflohen.

War's einst nicht anders, voll des Schönen,
voll derer, die in Ehre stöhnen,
wenn sie rechtschaffen Arbeit frönen,
und niemals fremd und ängstlich drohen?

Heimatland, auch du wirst sterben,
wenn die letzten deiner Erben,
rottend dich in schwarz verfärben,
dann, ja dann, gibt’s dich nicht mehr!

Heimat doch, obgleich der Menschen dort,
du bist so weit, besonders fort.
Vergessen bald, ein jeder Ort
und wen ich liebte, manchmal sehr.

Montag, 1. Juni 2009

Erinnerungen

Warum nur geistern einem die eloquentesten Hassphrasen immer dann durch den Kopf, wenn man betrunken ist, nichts zum aufschreiben hat und sowieso genau weiß, dass man bis morgen wieder fast alles vergessen hat. Dann ist auch wieder alles so weit weg, nicht mehr aktuell, kein Bezug mehr da, alles verschwommen im großen Gewaber der Erinnerungen. Erinnerungen? War da nicht der erbärmlichste Poetry Slam aller Zeiten vor kurzem, die Zurschaustellung von dichterischen und geistigen Elend? Ja genau, da wollte ich drüber schreiben. Im Rückblick bleibt wenig vom spontanen Hass... Doch Moment. Spontane Flashbacks. Die Teilzeit-Mario Barths von morgen haben für Lacher gesorgt, die längst zum Abschuss freigegeben sein sollten. Allen voran die Galleonsfigur der seichten Scherze auf den ach so alternativen Osten Berlins, so dass ich mich dann schäme, eben dort zu wohnen, mein Feind im Geiste, Maik Marschinkowski. Keine Ahnung, Maik, ob man dich wirklich so schreibt, aber man spricht dich so. Ich geb dir ein Bier aus, wenn es nicht stimmt. Irgendwo neben einem brennenden Auto, an dem du dir deine Zigarette anzündest, irgendwo wo die ganzen Asozialen Sternburg trinken, dort wo es ach so krachig einhergeht, irgendwo in der Warschauer, dann gehen wir Fritten essen, reden über Hartz 4 und Fernsehen und werden gute Freunde. Und dann sage ich dir, wie arm der geistige Müll ist, den du von dir gibst. Aber zurück zur Erinnerung, zum Rest des geistigen Elends. Waren da nicht die Spitzen gegen die GEZ, weil man so den Studenten von gestern und heute etwas bietet, mit dem sie sich identifizieren können? War da nicht jener fürchterliche junge Man aus Höhenschönhausen, der scherzhaft „H-Town“ zum neuen Mekka kultureller Identität erklärte, nicht wissend wie recht er in seinem Falle hat und dass ich mir seither nichts sehnlicher wünsche, als dass er nie wieder von dort zurückkehren möge? Alles harmlos im Vergleich zur englischsprachigen Finalistin, jene in Leopardenleggins gehüllte Trendpomeranze, die gefeiert wurde als würde sie etwas unglaublich Hochwertiges bieten. Es war der Gipfel an Scheiße, englische Scheiße zwar, dadurch aber nicht weniger Scheiße. Nun gut, Shit. Die Menge jubelte, ich buhte laut. Doch das ist nicht gern gehört, dort wo sich selbsternannte Poeten tummeln und gegenseitig feiern. Man weist mich zurecht, dass es unfair sei, ich trinke mein Bier und schweige. Und bin doch fast ein bisschen froh, dass die Erinnerungen daran blässer werden.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Existenzlyrik 1

Heute

Was machen die ewig Gestrigen morgen?
Sie werden sich erstmal mit Schnaps versorgen.
Den trinken sie dann, vergessen die Sorgen,
Besaufen sich hart, als gäb es kein Morgen.
Was kommt dann danach, ja was liebe Leute?
denn morgen ist bald und gestern war heute,
Gedanken verbrannt, keine geistige Beute,
was bleibt dann als Antwort, was bleibt uns dann letztlich?
Wird nicht immer alles in Ewigkeit gestrig?
Ich denke, verschwende, denn morgen wird heute.

Montag, 11. Mai 2009

Black Metal

„...brandish steel, Black Metal is unreal“. Für mich ist Black Metal schon lange irreales räudiges Verlangen, atmosphärischer Wahn, nihilistischer Ausbruch, misanthropischer Exzess und Zelebrierung innerer Leere. Black Metal ist peinlich, roh, dreckig, fies. Black Metal war schon immer etwas Punk. Vorbei sind die Zeiten der überproduzierten Finstermänner, der technischen Finesse und der schnellsten Drums. Schmalspurpoeten haben den Bezug dazu verloren. Heute hier und jetzt zählt nur noch die ranzige Grundeinstellung, das Gepolter der alten Tage, der Nihilist tief hinter der Seele und der Wolf im Mann. Ulver haben einst die Hymnen dazu geschrieben, acht an der Zahl, erst Jahre später scheine ich sie halbwegs zu verstehen. Und ich scheine mehr zu verstehen. Das Gefühl schwingt mit, morgens in der Bahn, abends im Supermarkt, zur damals nächsten Generation, zu längst ad acta gelegter Post-Black Metal Ästhetik, wie sie Scheitan auf Nemesis zelebrierten. Damals war das kein Black Metal mehr, heute weiß ich, es ist Black Metal. Böse bis ins Blut, klar in Finsternis und Misanthropie und dennoch erbauend, frei und entspannt. Es ist schwer zu differenzieren, was mir Black Metal heute noch nahe führt: sind es garstig punkige Platten wie „Dark Thrones & Black Flags“ und „Now, Diabolical“ oder monotones Kreischgeknüppel wie auf „Burzum“ oder „Navigator“. Es fällt zudem auch schwer, weil Black Metal heute Kunst ist, es gibt renomierte Photoaustellungen: Nattefrost als Ikone an der Wand, Gaahl und die Einsamkeit, Blut, Kotze, Scheiße, nackte Haut. Wer hört da schon noch zu? Black Metal wird visuelle Kunst: Blendung. Das extreme Klischee, die gelebte Inszenierung. Die Magie allerdings bleibt.

Montag, 4. Mai 2009

Kampf und Revolte

Draußen vor der Tür vor dem Halford, da wo man die fünfzigjährigen Schwaben-Sachsen-Metaller hin ausführt, explodiert die Lage doch tatsächlich in der Friedrichshainer Walpurgisnacht und es fliegen Flaschen und Schlachtrufe. Dann freut sich das Randaletouristenherz und der Puls geht höher, wenn man um durchzukommen durch das Chaos auf sein Wohnrecht pochen muss, weil schließlich will man ja bloß nach Hause (selbstverständlich gelogen, dafür ist noch zu früh, mal will in den Sage Club). Umso enttäuschender dann der erste Mai selbst, gegähnte Langeweile bei hunderten Polizisten in Reih und Glied wartend auf die Explosion. Nichts passiert jedoch, man steht sich die Beine in den Bauch und friert so langsam in der Dunkelheit. Sollten die Nachrichten des nächsten Tages etwa alle erlogen sein? Oder hat man das Spektakel um 30 Minuten und um 150 Meter verpasst und zwar komplett und war der Eindruck im Dreieck Trinkteufel, Oranienplatz und Görlitzer Bahnhof bloß eine Illusion von Friede, Freude, Eierkuchen? Zerdepperte Bushaltestelle, ja gut, aber das war es. Man rafft es später gar nicht mehr so richtig, die Sequenz aus warmen und miserablen Bier, barbusigen Bands und Köfteständen zu einem Ganzen zu vereinen. Besser aber die Krawalle verpassen als die barbusigen Bands. Krawalle gibt es ja inzwischen selbst in Ulm.