Samstag, 17. Januar 2009

S-Bahn

„Glaubst du, dass es pervers ist, wenn man 80% aller Frauen toll findet?“ Ich bin mir nicht so sicher was ich da antworten soll. „Mein Name ist Paul und ich bin besoffen“ sagt der junge Mann auf meine Antwort, die etwas wage war sicherlich, aber frei interpretierbar und freundlich. „Ich heiße Matthias und bin nüchtern“. Er schüttelt meine Hand und sagt „Sehr erfreut, aber dann bin ich wohl pervers“. Aber das ist seine Interpretation meiner Aussage, ich kann ihm da nicht grundsätzlich zustimmen. Paul sucht nach eigener Aussage noch jemanden, denn er bis zum Hauptbahnhof zuquatschen kann und da ich Zeit für solchen Scheiß habe, tätige ich kurz noch das Telefonat, dass noch zu tun war, und leihe ihm mein Ohr. Paul ist scheinbar ziemlich intellektuell und erzählt seine Meinung über Sprache und allgemeinen Möglichkeiten des Ausdrucks. Zwischendurch wechselt er ins Französische, vielleicht erklärt dies sein marokkanisches Aussehen, doch er muss schnell einsehen, dass ich dieser Sprache kaum mächtig bin. Der Typ eine Reihe nebenan lacht gelegentlich und man sieht ihm an, dass er gerne mitdiskutieren würde. Nach einer etwas peinlichen Pause fragt mich Paul „ich habe gerade ein Fremdwort falsch benutzt, nicht wahr?“. Nachdem ich ihm erklärt habe, was „empirisch“ wirklich bedeutet ist er auch schon am Hauptbahnhof und müssen uns verabschieden.
Nur flüchtig lausche ich danach der Konversation der drei Jugendlichen, die sich neben mich setzen. Ein Schwarzer mit Gitarre betritt die Bahn und da sagt das blonde Mädchen plötzliche „scheiße, Redemption Song“. Wenige Sekunden später beginnt der Gitarrenspieler loszulegen und er singt – wie prophezeit - „Redemption Song“. Es ist eine ziemlich armselige Interpretation, ich frage mich was Bob Marley dazu sagen würde, oder Johnny Cash, der hat ja immerhin eben selben Song schon einmal besonders schöner Form dargeboten. Und tausende andere Künstler auch. Vor meinem inneren Auge, transformiert sich der Gitarrenspieler in Bob Marley, dann in Johnny Cash und dann zurück. Es läuft mir eiskalt Rücken herunter bei all den Toten, Zeit die Lichter draußen zu fixieren, die an mir vorbeihuschen. schon sind die Gedanken wieder weg und man schätzt sich glücklich, bald zuhause zu sein. Der Reihe-neben-an Typ verlässt die Bahn und grinst mich da dabei hochschätzend an. Schön das irgendjemand noch an Paul, den Sprachtheoretiker, denkt.

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