Dienstag, 20. Januar 2009

Krampfsprache

Vor vielen Jahren taten sich drei heimliche Liebhaber der deutschen Klassiker zusammen und erschufen gar schröckliche Kunst. Fünf Akte von schier erhabener Eleganz und erschreckender politischer Brisanz. Nun das war das Ziel, ganz erreicht wurde es sicherlich nicht - doch wir fühlten uns nahe dran: Des Iovis schröcklich Zorn.

Wer käme heute noch auf Alliterationen wie „Träume trister Trauer tränken“? Auf Drohungen wie „Seht dieses Schwert, dessen Kling so scharf, will fressen Eure Eingeweid!“? Es wurde wortwörtlich „lyrisch Drang herausgerissen“. Krampfsprache und Schändungseffekt, ein Versuch der leider niemals wiederholt wurde. Der einzige Satz aus dem nie vollendeten Nachfolger, den ich noch Kopf habe, lautet „mit Hitler, Marduk und 2Pac, die gehn mir alle auf den Sack“.

Ein Jugendsünde? Ja vielleicht, aber eine ordentlich poetische. Sie wurde meines Wissens nach weder aufgeführt noch hat sie geholfen, Frauen zu verführen. Gescheiterte Kunst gewissermaßen.

Epilog im Olymp
(Zeus am göttlichen Gelage, nachher Bacchus;
Apoll, Neptun und Diana treten vor)

A p o l l
Abermals hat der Herr der Blitze
Des Menschen Tun ein End gesetzt
Und ihrer jugendlichen Hitze
Mit Donnerschlag die Brust zerfetzt.
Sein Blick zerstört das sterblich Leben
Bei jedem schlechten Untertan.
Sein unbegreiflich hohes Streben
Ist sinnlos wie von Anfang an.
N e p t u n
Und schnell und unsagbar geschwinde
Vergehet unsre ganze Macht;
Verstreut wird sie in alle Winde
Zerstört wird die gesamte Pracht.
Es schäumt mein Meer gegen die Küsten
Meiner Gewalt nun bald schon auf,
Die Menschen folgen ihren Lüsten,
Das Schicksal, es nimmt seinen Lauf.
D i a n a
Und Stürme gehorchen nicht mehr Dir
Ob auf dem Meer, ob auf dem Land
Und bezeugen wütend Mensch und Tier
Wie sehr schon unsre Macht verschwand.
Des Iovis blitzendes Begehren
Führt ihn auch schon zu menschlich Fleisch.
Wie kann der Mensch denn noch verehren,
Was nicht scheint höher, sondern gleich?
Z u d r e i
Dein Blick zerstört das sterblich Leben
Bei jedem schlechten Untertan,
Dein unbegreiflich hohes Streben
Ist sinnlos wie von Anfang an!
B a c c h u s
Da Du, o Zeus, Dich wieder einmal aufführst
Und der Menschen Tat ein weitr´es Ende setzt,
Weil sie einmal mehr gegen Dich aufrührt,
Wieder hast Du ihr Vertrauen stark verletzt!
Wir alle verlieren uns´re Macht,
Ich werde um den Schlaf gebracht,
Weil ich um meine Kraft schon bange,
Nur noch wenig hör ich vom Gesange
Meiner Jünger, die an Zahl verlieren,
Da Leichen Deine Werke zieren!
Z e u s
Hast Du denn weiter nichts zu sagen,
Wir Götter kennen kein Verzagen,
Unsterblich ist das uns´re Lebenslicht!
B a c c h u s
Ist es das wirklich oder nicht?
In meinem Geist gibt´s eine steigende Tendenz,
Ich zweifle schon an uns´rer Existenz!
Z e u s
So sind wir oder sind wir nicht?
S a t y r (aus dem Nichts)
Ihr seid nicht!
(Dunkelheit, nichts)


Der Volltext befindet sich interessanterweise immer noch hier. An dieser Stelle möchte ich noch unserer damaligen Deutschlehrerin Anne Meyer danken, dafür, dass sie uns so hart mit Goethe konfrontiert hat (und auch noch ein persönliches Danke, dass sie mir explizit erlaubt hat, Faust II scheiße zu finden). Besonderer Dank an unserem damaligen Lateinlehrer Bernhard Meyer, der den Kram doch tatsächlich gelesen und positiv kommentiert hat. Die beiden sind natürlich weder verwandt noch verschwägert.

2 Kommentare:

Henning Pfeifer hat gesagt…

Wer weiß denn schon, das Marduk der Staatsgott der Babylonier ist?
Polytheismus fetzt total. All die alten Götter, die beinahe der Vergessenheit anheim fallen. Ull, Mitras, Sol Invictus, Moloch und wie sie alle heißen...

turbonecro hat gesagt…

Und wer weiß schon, dass Marduk Tiamat zermetzelt hat? Und wer weiß, dass Kronos seinen Vater Uranos kastriert hat, um mit seiner Mutter Gaia ins kosmische Bett zu springen? Polytheismus, großartig!!